Im April 2021 und den vorherigen Monaten gab es wieder einige interessante Entscheidungen in Sachen Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung. So sah sich der EuGH im April 2021 mit der Frage konfrontiert, wie die Fluggastrechteverordnung auszulegen ist, wenn ein Ausweichflughafen angeflogen wird (Urteil des EuGH vom 22.04.2021 C-826/19). Und das OLG Köln hatte den Zeitraum der Ersatzbeförderung bei einer Umbuchung zu entscheiden. Insbesondere ob dieser kostenfrei durchzuführen ist. Im Rahmen unserer losen Reihe zur aktuellen Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung möchten wir Euch die wichtigsten Entscheidungen vorstellen.
Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021
In der Rechtssache C-826/19 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 22.04.2021 entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn ein Ausweichflughafen angeflogen wird. In Zeiten von Nachtflugverboten ist diese Frage nicht ganz uninteressant. Und anders als viele andere Begriffe, ist dies in der Fluggastrechteverordnung nicht klar definiert. Außerdem hat das OLG Köln (Urteil vom 19.02.2021 6 U 127/20) die Frage entschieden, in welchem Zeitraum bei einem annullierten Flug die Ersatzbeförderung erfolgen muss und ob Kosten für die Umbuchung erhoben werden dürfen.
Urteil des Europäischen Gerichtshofes EuGH C-826/19 vom 22.04.2021 zur Frage der Definition von Ausweichflughafen
Häufig kommt es vor, dass ein Flug verspätet ist. Zu der Verspätung kommt dann oft noch, dass der ursprüngliche Flughafen nicht mehr angeflogen werden darf, da es ein Nachtflugverbot gibt. In vielen Fällen fliegen die Airlines dann einen anderen Flughafen in der Nähe an.
Der Kläger in dem Verfahren C-826/19, zu dem am 22.04.2021 das Urteil des EUGH ergangen ist, buchte im Mai 2018 einen Flug von Klagenfurt via Wien nach Berlin-Tegel. Aufgrund einer während der Rotation des für den Flug von Wien nach Berlin-Tegel eingesetzten Maschine startete diese in Wien verspätet. Der Flug von Wien nach Berlin hob statt um 21:00 Uhr erst um 22:07 Uhr ab. Zur Zeit der geplanten Landung war für Tegel bereits das Nachtflugverbot in Kraft. Der Flug wurde daraufhin nach Berlin-Schönefeld umgeleitet, wo er um 23:18 Uhr landete. Die ursprüngliche Ankunft in Berlin Tegel war für 22:20 vorgesehen.
Der Kläger begehrte von Austrian Airlines eine Ausgleichszahlung wegen Annullierung des Fluges gem. Art 5 Abs. 1 lit. c Verordnung (EU) 261 / 2004 (Fluggastrechteverordnung). Der Kläger ist der Ansicht, dass die Fluggastrechteverordnung keine Anwendung findet, dass der Flughafen Berlin-Schönefeld in Brandenburg liegt, der ursprünglichen Flughafen Berlin-Tegel aber im Land Berlin. Ferner macht er geltend, dass ihm kein Weitertransport von Schönefeld angeboten worden sei. Das Bezirksgericht Schwechat hat die Klage abgewiesen.
Das LG Korneuburg hat das Verfahren ausgesetzt. Es hat die Sache dem EuGH vorgelegt.
Vorlagefrage
Das LG Korneuburg wünscht vom EuGH u.a. Auskunft zur Frage, ob
1 Ist Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass er auf zwei Flughäfen anzuwenden ist, die sich beide in unmittelbarer Nähe eines Stadtzentrums befinden, jedoch nur einer im Stadtgebiet, der andere im benachbarten Bundesland?
Urteil des EuGH C-826/19 vom 22.04.2021 RN 18
2.Sind Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass im Fall einer Landung an einem anderen Zielflughafen desselben Ortes, derselben Stadt oder derselben Region ein Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen Annullierung des Fluges zusteht?
Problemfeld
Die Frage wird verständlicherweise aus Sicht der Fluggäste anders gesehen als aus Sicht der Fluglinie. Mit der Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021 setzt sich der EuGH mit bislang nicht klar definierten Begrifflichkeiten auseinander.
Der hier einschlägige Art 8 Abs. 3 der Verordnung (EU) 261/2004 lautet:
„Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.“
Art 8 Abs. 3 der Verordnung (EU) 261/2004
Doch weder die Fluggastrechteverordnung noch andere Verordnungen definieren die Begriffe „Ort“ bzw. „Stadt oder Region“. Der EuGH muss also im April 2021 entscheiden, wie der Flug zu einem, Ausweichflughafen zu werten ist und ob die Fluggastrechteverordnung Anwendung findet.
Ist der Flug zum Ausweichflughafen eine Annullierung i.S.d. Fluggastrechteverordnung?
Außerdem war zu entscheiden, ob der Flug zu einem anderen als dem ursprünglich geplanten Flughafen als Annullierung zu bewerten ist. Mit anderen Worten, der Kläger in diesem Verfahren ist der Ansicht, dass der Flug zu einem anderen als dem ursprünglich einer Annullierung gleichsteht. Denn bei einer Annullierung stehen dem Fluggast Ansprüche unabhängig von der Verspätung zu. Dies selbst dann, wenn dieser das Ziel unterhalb der zeitlichen Schwelle erreicht, für die ihm Ausgleichsansprüche wegen Verspätung zustehen.
Urteil des EuGH vom 22.04.201 (C-826/19)
In der aktuellen Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021 stellt der EuGH fest, dass die Begriffe nach dem gewöhnlichen Sprachgebraucht zu bestimmen sind. Hierbei ist der Zusammenhang zu berücksichtigen. Es ist, so der EuGH in Urteil von 22.04.2021 in dieser Rechtssache (C-826/19), nicht auf bestimmte verwaltungstechnische oder politische Einheiten abzustellen. Vielmehr hält der EuGH fest, dass hierbei auf die unmittelbare räumliche Nähe abzustellen ist. Dem steht nach Ansicht des EuGH die restriktive Anwendung nicht entgegen.
Damit hat der EuGH mit der Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021 eine Aussage zu der Behandlung von mehreren Flughäfen in einer Region getroffen. Davon gibt es mehrere. Zwar gibt es den Flughäfen Berlin-Tegel nicht mehr. Aber z.B. verfügen sowohl Paris als auch Mailand und Rom über mehrere Flughäfen. Da die Fluggastrechteverordnung auch für Flüe gilt, die von oder in die EU gehen, ist dies auch auf andere Städte anwendbar. Zu nennen sind hier New York, Shanghai, Washington und auch Miami und Fort Lauderdale.
Flug zu Ausweichflughafen ist nach Ansicht des EuGH keine Annullierung
Außerdem stellt der Europäische Gerichtshof klar, dass er Flug zu einem Ausweichflughafen keine Annullierung ist. Der EuGH stützt seine Ansicht darauf, dass hierfür die Flugroute heranzuziehen ist. Diese ist die Strecke vom Ausgangsflughafen zum Bestimmungsflughafen. Der streitgegenständliche Flug landete statt in Berlin-Tegel in Berlin-Schönefeld. Mithin einem anderen als dem ursprünglich vorgesehen Flughafen. Damit ist dieser zwar als „nicht durchgeführt“ zu betrachten. Hier liegt der Ausweichflughafen aber in derselben Region. Die Umleitung ist in dem hier vorliegenden Fall also nicht einer Annullierung gleichzusetzen. Indes stehen nach dem Urteil des EuGH (C-826/19) vom 22.04.2021 dem Fluggast Ansprüche für die Beförderung zum ursprünglich gebuchten Flughafen zu.
Mit dem Urteil des EuGH im April 2021 manifestiert der EuGH also, wie die Fluggastrechteverordnung für Flüge zu einem Ausweichflughafen zu definieren sind. Abzustellen ist hierbei auf die räumliche Nähe. Maßgeblich ist nicht die politische Gemeinde oder das konkrete (Bundes)land. Hierbei ist auf den konkreten Fall abzustellen.
OLG Köln zum Zeitraum der Umbuchung bei einer Ersatzbeförderung infolge des annullierten ursprünglichen Fluges
Die Frage der Umbuchungskosten eines annullierten Fluges stellt sich insbesondere auch gegenwärtig. Wir hatten über dieses Verfahren bereits im Mai 2020 berichtet. Damals hatte das LG Köln im Rahmen einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass die Airline keine Aufzahlung berechnen darf, wenn bei der Umbuchung auf einen anderen Tag die gewünschte Buchungsklasse verfügbar ist. Wie wir schon damals angemerkt hatten, war die Entscheidung nicht rechtskräftig. Nachdem das LG Köln dem Antrag stattgegeben hatte, hat das OLG Köln (6 U 127/20) mit Urteil vom 19.02.2021 den Antrag zurückgewiesen. In unserer Übersicht über die Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021 möchten wir Euch auch hier ein Update geben. Die KLage war durch den erfahrenden Neusser Anwalt Dr. Matthias Böse betreut worden, der hierüber auf seinem Blog auch asuführlich berichtet hat.
Ausgangslage
Wir hatten bereits berichtet. Gleichwohl möchten wir die wesentlichen Fakten noch einmal zusammenfassen.
Wird ein Flug annulliert, kann der Passagier sich das Ticket erstatten lassen. Er kann aber auch gem. Art. 8 Abs. 1 lit. c Verordnung (EU) 261/2004 zu einem späteren Zeitpunkt eine anderweitige Beförderung zum Reiseziel verlangen. Die Lufthansa hatte hierbei nicht allein auf die Beförderungsklasse abgestellt, sondern die Buchungsklasse und die Bedingungen des ursprünglichen Tickets abgestellt. Diese sind aufgrund des Zeitablaufs vielfach aber gar nicht mehr einzuhalten.
Fallgestaltung und Problemfeld
Im vorliegenden Fall hatte die Lufthansa einen Flug annulliert. Der Kunde wollte keine Erstattung – auch weil er der Lufthansa die finanziellen Mittel nicht entziehen wollte. Stattdessen wählt er einen Flug zu einem späteren Zeitpunkt. Plätze waren verfügbar. Gleichwohl verlange die Lufthansa Umbuchungskosten für den annullierten Flug in nicht unerheblicher Höhe. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat die Lufthansa daraufhin auf Unterlassung in Anspruch genommen. Dem war das LG Köln gefolgt. Die Lufthansa hatte allerdings Berufung eingelegt. Das OLG Köln (6 U 127/20) hat nun Urteil vom 19.02.2021 der Lufthansa Recht gegeben.
Was bedeutet dies nun
Entscheidung des OLG Köln vom 19.02.2021 (6 U 127/20)
Zunächst ist festzuhalte, dass der Fluggast im Falle einer Annullierung eine Ersatzbeförderung verlangen kann. Dies regelt Art 5 Abs. 1 lit. a), Art 8 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EU) 261/2004 recht eindeutig. Diese Ersatzbeförderung muss dabei nicht zwingend zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Das OLG Köln konstatiert gleichfalls, dass die Umbuchung kostenfrei erfolgen muss.
Das OLG Köln hält fest, dass für die im Zuge der Ersatzbeförderung notwendige Umbuchung auf verfügbare Plätze abzustellen ist. Nicht auf die Wirtschaftlichkeit. Das OLG Köln lässt hierbei zwar in concreto offen, ob es die Reiseklasse ist oder die Buchungsklasse. Aus der Art und Weise der Argumentation dürfte aber auf die Reiseklasse abzustellen sein. Nicht auf die Buchungsklasse. Denn die Wirtschaftlichkeit ist eben keine Voraussetzung.
Ersatzbeförderung auch bei außergewöhnlichem Umstand
Zwar ist die Annullierung infolge der Corona-Pandemie erfolgt. Dies stellt nach Ansicht des OLG Köln einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Fluggastrechteverordnung dar. Dies indes bedeutet nicht, dass Ansprüche auf Ersatzbeförderung nicht bestehen. Das OLG Köln setzt sich im Verfahren 6 U 127/20 und dem Urteil vom 19.02.2021 sehr ausführlich mit der Auslegung der Norm auseinander. Es kommt letztlich aber zum Schluss, dass der Reisende durch die Fluggastrechteverordnung nur bei der konkreten Reise geschützt sein soll. Diese ermöglicht zwar eine gewisse Flexibilität. Mit der Lufthansa ist auch das OLG Köln der Ansicht, dass diese keinen Anspruch auf keine kostenfreie Umbuchung auf einen anderen Zeitraum gibt.
Zeitraum für Ersatzbeförderung muss nahe zum ursprünglichen Flug liegen
Begründet wird dies vom OLG Köln damit, dass mit der Ersatzbeförderung das Ärgernis der Annullierung verringert werden soll, was wiederum bedeutet, dass die Umbuchung in einem engen Zeitraum mit der ursprünglichen Reise liegen soll.
Das OLG Köln gibt allerdings im Verfahren 6 U 127/20 und dem Urteil vom 19.02.2021 keine genaue Auskunft über den Zeitraum. Dies lässt also noch etwas Raum für Interpretationen. Festzuhalten ist aber auch, dass es nicht unbedingt die nächst sein muss. Der Fluggast erfährt durch die Annullierung bereits Unannehmlichkeiten. Somit muss der nächste Flug nicht akzeptiert werden, wenn dieser z.B. mit anderen Terminen des Fluggastes korrespondiert. Auch steht dem Fluggast eine gewisse Bedenkzeit zu.
Rücktritt vom Vertrag
Kommt eine Umbuchung nicht in Betracht, besteht aber nach Ansicht des OLG Köln kein Anspruch auf eine Ersatzbeförderung zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt. Vielmehr hat der Fluggast das Recht, das Ticket vollständig erstattet zu erhalten.
Der Anspruch auf Beförderung ist hierbei als Fixgeschäft anzusehen. Die Nichteinhaltung der Leistungszeit ist begründet keine Unmöglichkeit der Durchführung. Diese kann nachgeholt werden. Dies aber begründet den Anspruch des Fluggastes vom Vertrag zurückzutreten. Dies ist insbesondere dann, der Fall, wenn die Ersatzleistung keinen Sinn mehr ergibt. Hierbei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen.
Auswirkungen
Die Entscheidung des OLG Köln überrascht nicht. Zwar hätte man sich insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie hier eine flexiblere Handhabung gewünscht. Denn eine zeitnahe Umbuchung mit Ersatzbeförderung in einem engen Zeitraum wie vom OLG Köln gefordert, scheitert oft an Einreisebestimmungen. Demgegenüber steht, dass Flüge durchgeführt werden. Und die Unmöglichkeit von (touristischen) Reisen nun einmal außergewöhnliche Ansprüche und höhere Gewalt sind. Somit nicht von der Fluglinie zu beeinflussen. Der Fluggast wird geschützt durch die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten.
Das OLG Köln wird bei der Entscheidung möglicherweise auch berücksichtigt haben, dass einschlägige Medien dazu geraten haben, auf dieser Art und Weise zu günstigen Tickets zu buchen. Mit anderen Worten annullierte günstige Flüge später auf teure Zeiten kostenfrei umzubuchen. Dies ist nicht Sinn und Zwecke des Fluggastrechteverordnung. Und so ist der Lufthansa zumindest insoweit zuzustimmen, dass diese nicht zum Erwerb günstiger Tickets für andere Reisezeiten missbraucht werden darf.
Wir möchten an dieser Stelle aber auch auf die ausführliche Zusammenfassung bei dem den Kläger / Antragsteller vertretenden Neusser Anwalt Dr. Böse verweisen.
Fazit
Der EuGH und auch das OLG Köln stärken mit Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im Februar und April 2021 die Airlines. Mit Blick auf die Klage, ob ein Flug nach Schönefeld anstatt nach Tegel eine Annullierung oder gleicher Ort ist, was den Kläger zu dieser Klage bewegt hat. Hier sagt einem eigentlichen der gesundere Menschenverstand, dass beide Flughäfen zum gleichen Ort gehören. So verwundert das Urteil des EuGH in der Rechtsache C-826/19 vom 22.04.2021 nicht. Gleichwohl beschert uns diese Entscheidung im April 2021 immerhin eine Definition und Auslegung zum Ausweichflughafen nach der Fluggastrechteverordnung.
Demgegenüber relativiert die Entscheidung des OLG Köln (6 U 127/20) vom 19.02.2021 die Ansprüche der Fluggäste. Auch wir hatten gehofft, dass die Auffassung, hohe Umbuchungskosten bei annullierten Flügen zu verlangen, nicht haltbar sei. Dies ist nun nicht der Fall. Die Umbuchung und die damit verbundene Ersatzbeförderung mit nach Ansicht des OLG Köln in einem engen Zeitraum mit dem annullierten Flug stehen. Dies lässt bei er gegenwärtigen Situation nur eine Erstattung zu. Man darf aber sicherlich davon ausgehen, dass die Berichterstattung zu „Spar-Tricks“ hierbei nicht ganz unberücksichtigt blieb. Denn dies ist eben nicht im Sinne der Fluggastrechteverordnung.
Last but not least – wir berichten hier über die aktuelle Rechtsprechung zur Fluggastrechteverordnung im April 2021 und früher. Dies anhand zweier unserer Meinung nach interessanten Entscheidungen. Wir versuchen dies allgemein verständlich zu formulieren. Daher mögen die Juristen bitte etwas Nachsicht haben. Außerdem stellt dies keine Rechtsberatung, sondern die persönliche Meinung des Autor dar.
Die Entscheidung des OLG Köln wird so nicht bestand haben. Sehr sicher.
Hallo Jan,
Danke für die Super Artikel!
Habe selbst gerade folgenden Fall:
Mein Flug mit LH (FRA>HKG) wurde zwei Tage vor Abflug „geändert“, de facto annuliert:
Umbuchung auf LX (ZRH>HKG) am nächsten Tag (14h später).
Aber: kein Zubringer für FRA>ZRH
Und: auf Website/App konnte ich selbst nichts an Buchung ändern, nur „stornieren“ (das habe ich dann
schön sein lassen, da in einem anderen Fall (Stornierung durch mich, da LH Flugzeit/routing massiv geändert
hatte, ich von LH keinen Cent gesehen habe (Begründung: „nicht-erstattbarer Tarif und Stornierung“)
Und: LH-Hotline nicht erreichbar (mehrfach stundenlang in Warteschleife)
Habe dann letztlich selbst Ersatzbeförderung FRA>HKG (mit QR) gebucht.
Mit aktuellen Regelungen (Test, Quarantänehotel, Visum, Einreiseanmeldung, …) ist eine Änderung des
Ankunftstages leider eine mittelgroße bürokratische Aufgabe.
Am nächsten Tag/einen Tag vor Abflug habe ich dann noch schnell per Einschreiben
Forderung (volle Flugerstattung + 600,- Schadenersatz nach (EG) Nr. 261/2004) gestellt –
mit Fristsetzung. LH rührt sich nicht umd zahlt nicht.
Was würdest du mir raten?
LG Julia
PS Laut Pressemeldung lag Annulierung an Verbot, das Hongkong gegenüber LH ausgesprochen habe:
14-tägiges Verbot, da Passagiere?/Besatzung? eines LH-Flugs sich nicht an Covid-Regelungen gehalten hatten.
Evtl. noch mal eine Nachfrist setzen. Aber ansonsten kann es durchaus sein, dass Du den Klageweg beschreiten musst. Ich befürchte, dass sich LH bei der Annullierung auf außergewöhnliche Umstände berufen wird.
Hast Du LH gebeten, Dich auf den LX Flug am selben Ankunftstag zu buchen? Das Warteschleifen Problem und die nicht Erreichbarkeit allerdings kenne ich; leider nicht kalkulierbar. Ich empfehle insoweit, dass Du versucht dass zu dokumentieren (Anrufprotokolle, Zeugen) und Du aufgrund der Frist und den Folgen zur Vermeidung von Nachteilen handeln musstest und daher eine Ersatzbeförderung buchen musstest.
By the way, falls Du ein Hin- und Rückflugticket hattest, wäre das mit dem Nicht Antritt des Hinflug evtl. auch hinfällig. Wenn Du bei QR ein Hin- und Rückflug gebucht hast, ist das mit Blick auf den Flug zurück unproblematisch. Ansonsten wäre ein No-Show auf dem LH Hinflug für den Rückflug von HKG nach FRA ein Problem, da das Ticket vermutlich nicht mehr gültig ist.
Hallo Jan,
vielen Dank für deine Einschätzung!!
Ja, sehr schade, dass ich – obwohl ich wirklich kooperativ gewesen wäre – nicht mal die Möglichkeit hatte, LH zu erreichen.
Handynummer und Mail hatte ich natürlich bei Buchung hinterlegt, wäre von LH ein leichtes gewesen, sich zu melden und das einvernehmlich zu klären.
Nochmals Danke und weiterhin alles Gute dir!
LG
Hallo Jan,
du scheinst hier ja der Experte schlechthin zu sein! Danke für diesen tollen Artikel!
wenn ich auch eine kurze und prägnante Frage stellen dürfte:
Mein EW-Flug von PMI zurück nach Hause wurde annulliert und ich wurde für einen Tag zuvor umgebucht. D.h. einen Tag weniger Urlaub.
EW will natürlich nicht umbuchen auf andere Airlines (auch nicht LH, obwohl gleicher Konzern). Wie stehen hier die Chancen, wenn ich mir selbst den Ersatzflug mit LH buche, dass ich hier die Mehrkosten ersetzt bekomme?
Alles Gute inzwischen!
Wann ist denn Dein Flug? Die FluggastrechteVO trennt zwischen Flügen in 14 Tagen, zw 14 und 7 Tagen und kürzer. Wir haben dies hier unter Annullierung einmal zusammengestellt:
https://www.reisenunlimited.de/2018/05/06/auslegung-der-fluggastrechteverordnung/ Bei früher als 14 Tagen ist die Airline raus. Bei Abflug zw 7 und 14 Tagen wird es dann was komplizierter.
Mir wurde definitiv früher als 14 Tage Bescheid gegeben. Eigentlich mehr als einen Monat früher. Aber kann ich denn nicht dennoch eine Ersatzbeförderung für den ursprünglichen Flugtag verlangen?
Das hängt etwas vom Entgegenkommen der Airline ab. Die Airline ist gem. Art 5 Abs. 1 natürlich auch im Falle von Annullierungen zu Leistungen verpflichtet.
Annullierung
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
(2) Wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden, erhalten sie Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung.
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
(4) Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen.
Hier greift die Ausnahme, dass Ihr mehr als zwei Wochen vor Abflug unterrichtet worden seid. Demzufolge greift nur Art 8. Der lautet:
Artikel 8
Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt.
(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.
Und das ist dann leider nicht mehr so eindeutig und sieht die Airline vermutlich anders als Ihr. Eine Ersatzbeförderung mit einer anderen Airline wird sich vermutlich nur gerichtlich geltend machen. Ich bin hier zudem eher pessimistisch unterwegs. M.E. habt Ihr keinen eindeutigen Anspruch. Das heißt aber natürlich nicht, dass eine auf eigene Kosten beschaffte Ersatzbeförderung Euch von einem Gericht nicht zugesprochen wird. Aber dies von der Airline zu verlangen, dürfte schwierig werden. Zu begründen wäre dies mit Blick auf die „vergleichbaren Reisebedingungen“. Aber die Reisezeit ist hier nur untergeordnet. Sorry, ich bin hier wie gesagt eher vorsichtiger unterwegs, um eine unnötige und kostspielige Enttäuschung zu vermeiden.
Mir ist das selbst allerdings auch schon passiert.
Vielen Dank trotz allem für diese fachkundige Interpretation.
Ich hab mich in den letzten Tagen auch sehr intensiv mit der Fluggastrechteverordnung beschäftigt und ich muss sagen, dass diese in vielen Punkten sehr unpräziese formuliert ist und es hier einen sehr hohen Auslegungsbedarf gibt, da viele Begriffe und Bestimmungen einfach zu unexakt dargelegt sind.
Kleines Beispiel: die Passage in der Verordnung „einem Rückflug zum ersten Ablugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt“.
Wie wird hier „frühestmöglich“ ausgelegt? Wenn zB mein Flug um 09.00 ausfällt, darf meine Ersatzbeförderung dann nur ausschließlich nach 09.00 Uhr stattfinden, da frühestmöglich? „Frühestmöglich“ erweckt bei mir irgendwie den Eindruck, dass hier nicht vorgezogen werden darf, dass hier beispielsweise ein Ersatzflug um 08.50 nicht frühestmöglich ist, da ja vor 09.00 Uhr, aber ein Flug um 09.10 vielleicht ja die frühest mögliche Alternative nach 09.00 Uhr ist. Oder aber ist die Airline berechtigt, Ersatzflüge gleich mehrere Tage vorzuverlegen, da der Forderung „so früh als möglich“ dann aus meiner Sicht ja ebenso nachgekommen wird (lt. Duden „früh“ = „früher als erwartet“, jedoch gibt es dazu auch viele weitere Definitionen, was „früh“ bedeuten kann).
Dieses Beispiel ist sehr überspitzt dargestellt, soll aber zum Ausdruck bringen, wie undeutlich aus meiner Sicht diese EU-Verordnung ist.
Vielen Dank jedenfalls für die Auslegung und die wertvollen Kommentare in meinem Fall.