Vor einigen Tage hat ein Konsortium unter Beteiligung von Virgin Atlantic angekündigt, die angeschlagene britische Fluglinie Flybe zu übernehmen. Wir möchten, nachdem mittlerweile weitere Details bekannt geworden sind, die Übernahme von Flybe durch das von Virgin Atlantic geführte Connect Konsortium beleuchten.
Flybe
Flybe wurde 1979 unter dem Namen Jersey European Airways gegründet und fusionierte 1985 mit der Spacegrand Aviation. Der Name blieb allerdings zunächst Jersey European Airways. 2000 erfolgte dann eine Umbenennung in British European Airways und 2002 schließlich in Flybe. Das „BE“, das auch weiterhin Rufzeichen der Maschinen ist, steht dabei für British European. Die Fluglinie ist vor allem im britischen Flugverkehr außerhalb Londons vertreten. Darüber hinaus betreibt die Airline auch Flüge für SAS und auch in der Vergangenheit Finnair.
Zudem gab und gibt es Franchise Vereinbarungen mit Loganair und Stobart Air. Bereits vor gute einem Jahr war ein Übernahmeangebot von Stobar Air verkündet worden, das von Flybe aber zurückgewiesen wurde. Die Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten nahmen jedoch im Verlauf des Jahres zu; auch gepaart mit Problem im Flugbetrieb selbst. In der Folge war der Aktienkurs um rund 75% gefallen. Die Fluggesellschaft hatte sich daraufhin selbst auf die Suche nach potentiellen Partnern gemacht.
Neben British Airways war damals auch der Lufthansa Gruppe an einer Übernahme interessiert. Das Rennen hat aber nun offenbar Virgin Atlantic gemacht, die gleichfalls früh in Gespräche mit Flybe eingebunden waren.
Die Flybe Gruppe ist als Flybe Group plc börsennotiert. Hierbei handelt es sich allerdings nur um die Muttergesellschaft der rechtlich als selbständige Einheit operierenden Flybe Limited (Airline) und der entsprechende Wartungsgesellschaft Flybe Aviation Service Limited und der Flybe.com Limited.
Übernahme von Flybe durch Virgin Atlantic
Die Übernahme von Flybe erfolgt durch ein Konsortium unter Führung der britischen Fluggesellschaft Virgin Atlantic. Das Konsortium firmiert unter Connect Airways und wurde eigens für die Übernahme im Dezember 2018 gegründet. Chef ist gegenwärtig der CEO von Virgin Atlantic, wie dem Auszug der Gesellschaft im Companys House in Cardiff entnommen werden kann. An dem Connect Airways Konsortium sind neben Virgin Atlantic mit einem 30% Anteil die Stobart Gruppe mit 30% und die us-amerikanische Private Enquity Firma Cyprus Capital Partners mit 40% beteiligt. Letztere war in der Vergangenheit auch wesentlicher Anteilseigner an Virgin America.
Die Stobart Gruppe beteiligt sich mit Sachleistungen, nicht aber Geld an dem Konsortium. Der Stobart Gruppe gehört u.a. der Flughafen London Southend und die Stobart Air. Stobart Air betreibt für Flybe bereits einige Routen und ist aus der irischen Fluglinie Aer Arann hervorgegangen.
Der Plan war es zunächst formell Stobart Air zu übernehmen und im Anschluss Flybe. Ziel ist die Gründung einer britischen Fluglinie unter der Virgin Atlantic Marke. Hierfür wird zwar das Markenauftreten von Virgin Atlantic genutzt, aber sowohl Stobart Air als auch Flybe sollen ihr jeweiliges Air Operator Certificate behalten. Dies bedeutet zunächst keinen Wechsel im Betrieb des Fluggerätes und auch – vermutlich – zunächst keine Umregistrierung.
Dieser Plan konnte allerdings nicht realisiert werden, da die börsennotierte Flybe Gruppe die Bedingungen für einen Bankkredit nicht erfüllen konnte. Diese wiederum hätte den Flugbetrieb gefährdet. Daher hat die Flybe Group plc die Airline nebst Wartungsgesellschaft und Online Gesellschaft Flybe.com Limited an Connect Airways verkauft. Der Kaufpreis beträgt 2.8 Mio Britische Pfund. Die Börsennotioz findet sich hier.
Somit ist die börsennotierte Flybe Group plc mittlerweile also ohne jegliche Beteiligung und damit auch ohne wirklichen Wert. Der Verkauf beschert der Airline aber einerseits die dringen nötige Liquidität, zum anderen erspart man sich eine langwierige Beteiligung der Aktionäre.
Betrieb von Flybe
Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wird die Marke Flybe untergehen. Auch wenn das Air Operator Certificate von Flybe weiter genutzt wird, der Markenauftritt soll dem von Virgin Atlantic entsprechen. Demzufolge dürften die Maschinen auch umlackiert werden. Vermutlich wird allerdings für den Betrieb die Lizenz und das Operator Certificate von Stobart Air oder das bestehende von Flybe weiterverwendet werden.
Flybe ist zu einem großen Anteil für den Virgin Atlantic Zubringerverkehr (Feeder Traffic) in Manchester verantwortlich. Gerade dort ist Virgin Atlantic aber unter massivem Druck durch die Fluggesellschaft Thomas Cook. Flybe bedient bereits Strecken wie z.b. aus Düsseldorf, Hannover, Amsterdam oder Rotterdam nach Manchester. So wäre es recht einfach, diese Zugringer zukünftig auch für die Langstreckenflüge von Virgin Atlantic ab Manchester nach z.B. nach Atlanta, Las Vegas und in die Karibik zu nutzen. Allerdings ist das Produkt hier tw. ein anderes, als ab London Heathrow
Vorteil für Virgin Atlantic
Virgin Atlantic verfügt nur über ein Langstreckennetzwerk und bietet insbesondere keine eigenen Zubringer zu Ihren Hubs in London Heathrow, London Gatwick und Manchester an. Hier ist die Gesellschaft auf die Dienste dritter Fluggesellschaften angewiesen, wie z.b. British Airways oder auch Lufthansa. Die schmälert den Gewinn und ist zudem nicht so gut für das Image.
Aus Sicht des Flybe übernehmenden Air Connect Konsortiums sind auch die Slots von Flybe in London Heathrow interessant. Neue Slots sind schwer bis gar nicht zu bekommen. Durch die Übernahme von Flybe hat Virgin Atlantic vermutlich präferierten Zugriff hierauf. Die Slots erlauben indes nur europäische Flüge, Flüge mach Moskau, Kairo und Riyad. Für andere Ziele dürfen die Slots nicht verwendet werden. Dies versetzt Virgin Atlantic aber in die Lage, diese für Zubringerflüge aus Europa einzusetzen.
Interessanterweise sind die Flybe Slots diejenigen, die früher von Virgin Atlantics Little Red Zubringerflüge genutzt wurden. Der Versuch mit Zubringerflügen ist allerdings aufgrund geringer Auslastung von Virgin Atlantic eingestellt worden. Hintergrund waren zum einen die schlechten Flugzeiten als auch der Umstand, dass das von Virgin Atlantic genutzte Terminal 3 keine innerbritischen Flüge erlaubt und der Umstieg bei Virgin Atlantic immer mit einem Terminalwechsel verbunden war. Die Flybe Slots liegen in deutlich attraktiveren Zeiten. Zudem hat Virgin Atlantic noch eigen ungenutzte Slots, nachdem der Slot Leasingnehmer Cobalt Air im Dezember den Flugbetrieb eingestellt hatte.
Flybe in London Heathrow
Flybe verfügt über Slots in London Heathrow. Dies dürfen aber nur für bestimmte Verbindungen genutzt werden, wie wir oben beschrieben haben. Gleichwohl hat Virgin Atlantic auf dem europäischen Festland nur eine kleine Bekanntheit. Dies vor allem, da die Flüge ab Europa nicht über die Virgin Atlantic Homepage zu buchen sind. Hier muss entweder ein Reisebüro oder bestimmte Onlineportale gewählt werden. Dies ist einer Bekanntheit wenig förderlich und ein Manko.
So ist es nicht auszuschließen, dass Virgin Atlantic zukünftig verstärkt Flybe Slots für Zubringer Flüge aus europäischen Destinationen nutzen wird. Es ist dagegen wenig wahrscheinlich, dass es diese für innerbritische Zubringer nutzt.
Ob wir daher – wie an anderer Stelle im Netz diskutiert – Zubringer aus Deutschland nach London Heathrow mit Virgin Atlantic sehen, bleibt abzuwarten.
Die Destinationen mit Virgin Atlantic von Manchester sind jedenfalls nicht wirklich so interessant, wobei sich mit Las Vegas bei entsprechenden Preisen sicherlich eine Konkurrenz zu Eurowings aufbauen ließe, wenn der Preis stimmt.
Der Ballungsraum Ruhrgebiet mit dem Flughafen Düsseldorf mag von Virgin Atlantic für Zubringer genutzt werden. Dies auch, da Flybe bereits eine kleine Basis in Düsseldorf hat. Aber es bleibt abzuwarten, ob die Slots in Heathrow hierfür genutzt werden, denn gegenwärtig fliegt Flybe nur Düsseldorf – Manchester.
Ich denke, es ist zu früh, um hier eine konkrete Aussage zu treffen. Nachdem die Übernahme jetzt anders als ursprünglich geplant gelaufen ist, sollte die Integration abgewartet werden.
Darüber hinaus kann mit der erweiterten Kooperation von Air France / KLM auch hier eine Verlagerung des Zubringerflugverkehrs auf diese erfolgen. Daher ist nicht auszuschließen, dass sich Flybe aus Amsterdam und Paris zurückzieht.
Flybe als Virgin Atlantic
Zugegeben, die Zwischenüberschrift passt nicht ganz, denn Flybe gibt es dann nicht mehr. Aber Virgin Atlantic hat sich als hippe Fluggesellschaft positioniert. Und ob der Flug in einer Dash 8Q-400 diesem Image entspricht, wage ich zu bezweifeln. Sicherlich, ein Zubringer ist noch einmal etwas anderes als der Langstreckenflug, aber wer ein bestimmtes Image pflegt, muss dies konsequent tun. Und m.E. passt ein unverändertes Konzept an Bord einer ehemalige Flybe Dash nicht hierzu.
Nichts desto trotz machen die kleinere Flugzeuge natürlich zunächst Sinn. Ob und wie man auf größere Maschinen umsteigt, muss die Zeit zeigen. Was wir nicht sehen werden, ist eine Bestuhlung ähnlich der von Turkish Airlines oder US-amerikanischen Airlines in der First / Business-Class auch in kleineren Maschinen.
Fazit
Virgin Atlantic hat mit der Übernahme von Flybe einen cleveren aber auch notwendigen Schachzug gemacht. Zum einen schafft es die Grundlage verstärkt selbst den Zubringerverkehr zu organisieren. Zum anderen erhält die Airline Slots in London Heathrow zu besseren Uhrzeiten als während der Zeit von Little Red. Ob und wie sich dies auf europäische Zubringer auswirkt, bleibt abzuwarten. Die deutschen Destinationen im Streckennetz von Flybe gehen nach Manchester mit geringerem Langstreckennetzwerk von Virgin Atlantic. Dazu kommt, dass der deutsche Markt umkämpft ist. Fraglich daher, ob sich Flybe nicht auf den skandinavischen Markt konzentriert. Auch im Bereich von Belgien oder der Niederlande könnten wir Bewegung sehen. Es bleibt in jedem Fall spannend.
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